Um Sizilien ranken sich viele Mythen. Das erste Mal wurde ich mit einer dieser Geschichten bei einem Besuch im kleinen Fischerort Aci Trezza, 10 km nördlich von Catania, konfrontiert.
Direkt vor der Küste befinden sich die Faraglioni, die Inseln der Zyklopen. Es sind Lavafelsen, die durch Wind- und Wasser-Erosion der letzten Jahrtausende bizarre Formen angenommen haben.
Doch wie sind sie dorthin gekommen?
Die Legende erzählt Folgendes:
Auf seiner Heimreise aus dem Trojanischen Krieg legte Odysseus auf der Insel der Zyklopen an. Die Zyklopen waren in der griechischen und römischen Mythologie Angehörige einer urzeitlichen Riesenrasse mit einem einzigen Auge in der Mitte ihrer Stirn.
Odysseus und seine 12 Männer gingen an Land und betraten die Höhle des Riesen Polyphem. Er wohnte abseits der übrigen Zyklopen am Fuße des Ätnas und hütete Schafe und Ziegen. Odysseus stellte sich ihm als schiffbrüchiger Grieche vor und bat um Bewirtung. Der menschenfressende Polyphem aber hatte andere Pläne und rollte einen Riesenfels vor den Ausgang seiner Höhle. Odysseus und seine Gefährten waren nun Gefangene und Polyphem verspeiste zwei von ihnen auf Anhieb. Am nächsten Tag tötete und aß der Zyklop vier weitere Seemänner.
Odysseus indes überlegte sich einem Plan, wie er und seine Männer aus der Höhle entkommen könnten. Er reichte dem Zyklopen starken Wein, so dass dieser bald darauf in einen tiefen Schlaf verfiel. Nun blendeten ihn die gefangenen Griechen mit einem glühenden Pfahl.
Als der erblindete Polyphem am nächsten Morgen erwachte und bemerkte, dass er nicht mehr sehen konnte, tastet er die Höhle nach den Gefangenen ab, ohne Erfolg. Polyphem musste seine Schafe zur Weide hinauslassen und öffnete seine Höhle. Odysseus und seine Gefährten flohen so unbemerkt, indem sie sich am Bauchfell der Schafe festklammerten.
Auf dem Schiff angekommen, verspottete Odysseus Polyphem lauthals und vor lauter Wut schleuderte der Zyklop große Felsbrocken gegen die davonfahrenden Seemänner.
Odysseus konnte entkommen, doch die Felsbrocken sind noch heute vor der Küste Aci Trezzas zu sehen.
Mythologie vs. Geologie
So herrlich lebendig Homer die Geschichte des Odysseus und der Zyklopen-Felsen auch beschreibt, die geologische Erklärung der Lavafelsen ist ein andere.
Aci Trezza ist die Geburtsstätte des Ätna. Dort im Küstenbereich um Aci Trezza und Aci Castello, etwa 100 m unterhalb des Meeresspiegels, lag vor ca. 570.000 Jahren das Eruptionszentrum des Vulkans (der Meeresspiel lag damals übrigens 100 m höher als heute).
Dort, wo sich heute der Vulkan befindet, gab es eine große Bucht, der sogenannte pre-ätnensische Golf. Im Laufe der letzten 570.000 Jahre arbeitet sich der Ätna mit seinen Lava-Eruptionen Schritt für Schritt gen Westen nach oben. Seine Höhe beträgt heute ca. 3350 m.
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